Mein Sommer „off the Grid“. Erster Teil 1: Going Nowhere!

Diesen Sommer wollte ich es wissen, wie ist es eigentlich „off the grid“, sprich ohne Wasser, Strom und Internet zu leben. Davon zu träumen auf dem Land abseits der Zivilisation zu leben, ist eine Sache, es tatsächlich zu tun, eine andere. Daher suchte ich mir drei Reiseziele in Spanien, um den Selbsttest zu wagen. Als erstes nahm ich am spanischen „Burn“, dem „Nowhere Festival“ bei Barcelona teil. Dann besuchte ich eine Bekannte auf einer Bio-Farm bei Coin und schlussendlich fuhr ich für ein Schweige-Retreat in die Alpujarras. Ich werde in drei Blogeinträgen jeweils eine Reise beschreiben. Das Ganze mit dem Augenmerk auf Wasser, Strom, Telefon und Toiletten „Off the grid“.

Eine Reise von Laut nach Leise.

Reise Nummer 1: Going Nowhere!
Auf ins Niemandsland

Auf ins Niemandsland!

Im Juli machte ich mich, mit einer Freundin auf den Weg nach Barcelona, um von dort aus mit einem Leih-Van Richtung Saragossa in die Wüste bei Monegros zu fahren. Die Landschaft ist einzigartig und erinnert mich ein wenig an das Atlasgebirge in Marokko. Die Felsformationen ragen magisch in den Himmel. Das Festivalgelände befindet sich auf einem flachen Land vor den Bergen, dahinter Äcker und ein Fluss. So weit weg von der Zivilisation ist es gar nicht und ich hatte sogar Telefonempfang. Ich muss sagen, ich war schon ein wenig enttäuscht. Dachte ich doch, dass wir tatsächlich von der Außenwelt abgeschnitten wären. Da ich mich vorher vorsichtshalber von allen abgemeldet hatte, habe ich das Telefon tatsächlich nur für den Kontakt zu meinem Freund genutzt. Sprich, es lag den ganzen Tag im Van. Und das ist schon der erste positive Punkt des Festivals. Ich hatte zu keinem Moment das Gefühl, dass mir jemand etwas klauen würde. Der Van parkte in unserem Camp und die Tür war niemals abgesperrt. Ein schönes und sicheres Gefühl.

Auf ins Niemansland!

10 Burning Man Prinzipien

10 Burning Man Prinzipien

Der spanische „Burn“ folgt den 10 Prinzipien des Burning Man, von denen ich mich vor allem für die Nachhaltigen interessiere. Einmal im Jahr kommen Menschen aus der ganzen Welt für eine Woche zusammen und errichten eine Festival-Stadt. Nach Ende des Festivals darf man nichts als einen Fuß- oder Reifen-Abdruck davon sehen. Eine wahrliche Herausforderung.
Es gibt zwei Arten von Besuchern. Die einen zelten frei, sprich, sie müssen alles, was sie für eine Woche brauchen, selber mitbringen: Zelt, Wasser, Strom und Verpflegung. Die anderen schließen sich einem Camp an, damit ist für die Grundverpflegung gesorgt. Das haben wir gemacht. Auch das Zelt haben wir zuhause gelassen und ein fahrbares Zuhause in Form eines Van mitgebracht. Dies auch aus logistischen Gründen, da man mit einer Flugzeuganreise ja auch nicht so viel Gepäck mitnehmen kann. Die Anfahrt in die Wüste war damit auch kein Problem. Es war ein entspannter „Roadtrip“ von Barcelona aus.
Die meisten Camps haben einen Container, der vor Festivalbeginn auf das Gelände gebracht wird, in dem sich die wichtigsten Utensilien befinden. Dazu gehört ein Wasser-Tank und ein Strom-Generator. Auch wenn das Luxus ist, so ist trotzdem sparsamer Verbrauch angesagt. Schließlich befinden wir uns in der Wüste.

Wasser ist das kostbarste Gut.

Wenn man Wasser nicht mehr in rauen Mengen hat, dann wird einem bewusst, warum. Das fängt schon morgens beim Zähneputzen an. Wir hatten einen Kanister mit Trinkwasser, das aus hygienischen Gründen gechlort wird. Eine Wasserflasche ist unerlässlich. Sie ist wie dein bester Freund, den Du immer in Deiner Nähe haben möchtest. Ohne Flasche bewegst Du dich nie von Deiner Wasserquelle weg. Aus der Flasche nimmst Du ein wenig Wasser in den Mund und putzt Dir die Zähne. Um das Ökosystem nicht zu zerstören, sind biologisch-abbaubare Produkte erwünscht oder man putzt einfach kräftig. Ich habe gelernt, dass das sowieso der wichtigste Part des Zähne „putzen“ ist. Die Zahncreme ist nur für das gute Gefühl, den Geruch oder für das Portemonnaie des Herstellers. Ausgespuckt wird in einen Behälter mit Sand, der dann fachgerecht entsorgt wird. Auch wenn es erstmal ekelig klingen mag, Sand drüber ist echt eine feine Sache.

Ich geh dann mal ins Detail

Geduscht wird mit sogenannten Dusch-Pumpen, die man beim Camping verwendet. Die beste Variante ist es, dass sich einer hinstellt und wie bei Leonardo da Vinci oder am Flughafenscan seine Arme hebt und die Beine spreizt. Die andere Person sprüht dich dann von oben bis unten mit Wassernebel ein. Zweiter Schritt ist, dass man sich selber einseift und der dritte Schritt ist wie erste, Wassersprühen. Für Frauen, wie mich mit langen Haaren, eine Herausforderung, aber am Ende des Tages ist es eh egal. Denn wir befinden uns in der Wüste. Sprich es ist knallig heiß und es gibt regelmäßig Sandstürme.

Im Grunde ist eh alles nach ein paar Tagen mit einer leichten Sandschicht überzogen.

So auch das Geschirr. Da hilft auch die beste Waschstation nichts. Üblich sind drei Plastikschüsseln mit Wasser. In der ersten werden Essensreste abgeschrubbt, in der Zweiten wird mit Bio-Spüli gesäubert und in der Dritten wird das Geschirr durch klares Wasser gezogen. Wenn die erste Schüssel zu dreckig ist, werden die Essensreste durch einen Filter gesiebt und kommen in das Müll-Recycle-System. Jedes Camp hat eigene Mülltonnen für Glas, Plastik, Papier, Bio- und Restmüll. Dieser wird dann zur zentralen Müllstelle transportiert und unter wachem Auge der Müll-Verantwortlichen in die dortigen Behälter einsortiert. Auch das Altwasser wird fachgerecht bei der Müllstation entsorgt. Für die Waschstation bedeutet das, dass die beiden übrigen Plastikwannen nach links geschoben werden. In die erste Wanne kommt frisches Wasser und sie wird auf Position drei gestellt. Mit diesem System kann man mit minimalen Wasserverbrauch jede Menge Geschirr spülen. Wie bereits gesagt, ein Sandsturm und alles ist wieder sandkörnig überzogen.

Dreck reinigt den Magen

Wüsten Könniginnen

Wüsten-Königinnen

Gesundheitsschädlich ist der Sand nicht. Es ist eher die Hitze, die einem zu schaffen macht. Daher gibt es auch einen Wasserkanister gefüllt mit Elektrolyt-Wasser. Wie man sieht, sind die Camps perfekt auf die Wassersituation beim Nowhere Festival eingestellt. Der Wasserverbrauch pro Camp-Mitglied wird vorher errechnet und dementsprechend die benötigte Menge beim lokalen Wasseranbieter geordert. Jeden Tag fährt ein Wasser-Lastwagen über das Camp und füllt bei Bedarf (und Vorabzahlung) die Wasser-Tanks wieder auf.
Gekocht wird mit dem Trinkwasser. Wir hatten das Glück in einem „Yoga-Camp“ zu sein und ich muss sagen, dass Essen war einfach nur großartig. Die beste Voraussetzung: Wir hatten einen Kühlschrank. Das ist bei einem Festival, dass mit Auf- und Abbau über eine Woche dauert, auch wichtig. Jeden Tag gab es frischen Salat, Obst und Gemüse, dazu Optionen für Gluten freie Ernährung. Was für ein Glück für mich. Wurde doch gerade kurz vorher eine Weizenunverträglichkeit bei mir festgestellt. Gutes Essen mit reichlich Mineralien und Vitaminen ist wichtig in so einer Umgebung. Das war auch mit ein Grund, warum ich gerne in ein Camp gehen wollte. Und „Now and Here“ hat jahrelange Erfahrung und das Equipment, sich um das Wohl der Camp-Mitglieder zu kümmern. Das ist nicht in jedem Camp so, wie ich auf Nachfrage bei anderen feststellte. Eine Woche lang Weißbrot und Dosenfutter, ih, das kann ich nicht mehr…
Gekocht wird mit Gas. Der Strom ist in erster Linie für das Licht da. Die Beleuchtung spielt eine große Rolle bei Nowhere, vor allem nachts, wenn die Party losgeht. Sogar Personen hängen sich Lichterketten um, um heller zu strahlen und um gesehen zu werden. Wenn man nachts über das Gelände läuft, sieht man kunstvolle Lichtinstallationen, einige davon sind auch mit LED betrieben. Solarpanels habe ich eher bei den frei zeltenden Personen gesehen. Die meisten Camps haben, wie bereits erwähnt, einen eigenen Generator. Das klappt soweit ganz gut. Nur beim Versuch Crushed Eis mit einem Mixer zu machen, hatten wir mal einen Ausfall. Dabei wäre Eis, bei der Hitze, so schön gewesen…
Eiswürfel sind das Einzige, was man auf dem Festivalgelände kaufen kann. Alles andere wird vorher bezahlt und/oder mitgebracht. Auf dem Gelände selber wird alles „geschenkt“, es gibt keinen Geldtransfer. Das ist eines der Prinzipien der „Burner“.

So bekam ich Geschenke nachdem ich meinen Mantra-Workshop und einen Kirtan gegeben hatte. Einmal eine selbstgemachte Brosche und ein Bild mit Hindu-Göttern. Ich habe mich sehr über die kleinen Aufmerksamkeiten gefreut. Bei Nowhere gibt man die Workshops gratis, weil man etwas teilen möchte. Es war ein schönes Erlebnis und viele Teilnehmer kamen danach auf mich zu, um sich für die Events zu bedanken. Die anderen haben ihr Stimme (wieder) gefunden. Die anderen einfach den Kirtan in diesem Umfeld genossen.

Auch Burner, wie sollten es auch anders sein, müssen mal auf die Toilette. Ich hatte Kompost-Toiletten erwartet. Davon gibt es ja mittlerweile viele. Diese wurden wohl auch das Jahr zuvor beim Nowhere benutzt. Doch aufgrund der Wetter- und Hygiene-Situation als nicht tauglich erwiesen. Sehr schade. Also doch wieder das gute alte Dixie-Klo. Wobei ich dazu bemerken möchte, dass ich noch nie so saubere Toiletten auf einem Festival gesehen habe. Die sogenannten „Shit-Ninjas“ haben einen tollen Job gemacht und die Toiletten wurden regelmäßig gereinigt. Und das erste Mal habe ich verstanden, wie die Dixie-Klos am besten funktionieren.

Wie verhält man sich eigentlich auf einem Dixi-Klo?

Die Anweisungen wurden deutlich in jedem Klo aufgehängt, da kann ja nichts mehr schiefgehen. Bevor man sich auf die Brille setzt, kann man diese mit Papier und Desinfektionsmittel saubermachen, beides war immer vorhanden. Dann erst mal mit der Fuß Pumpe Flüssigkeit in die Toilette pumpen. Das habe ich noch nie vorher gemacht. Hat mir aber auch noch nie jemand gesagt. Dann draufsetzen und seinem Bedürfnis freien Lauf lassen. Danach muss man wieder pumpen und Deckel zumachen. Auch das mit dem Deckel zumachen, habe ich vorher nie gemacht, wahrscheinlich war es mir immer zu eklig. Dann werden die Hände mit Desinfektionsmittel gereinigt, Toilette verlassen, das war’s. So simpel, so gut. Funktioniert, frei nach dem Motto:
„Bitte verlassen Sie die Toilette so, wie Sie sie vorgefunden haben“
Nachts braucht man eine Stirnlampe, denn zwischen den einzelnen Camps gibt es kein Licht. So auch nicht auf den Wegen oder in den Toiletten. Durch den Camper hatten wir, sobald die Tür aufging, immer Licht. Das sollte sich als nützlich erweisen bei der permanenten Suche nach irgendwas. Zum einen versucht man, alles gut zu verstauen und so vom Sand fern zu halten. Zum anderen braucht man ja immer irgendwas. Ich bin sehr glücklich über den Van, denn abgesehen von einem Zuhause, bietet er auch ein wenig Lärmschutz.

Was war die größte Herausforderung beim Nowhere-Festival?
Nowhere in der Nacht

Nowhere in der Nacht

Ich wurde immer gefragt, ob ich „überwältigt“ sei vom Festival. Es wäre ja schließlich alles neu für mich. Ja und Nein. Ich bin schon als Kind zelten gewesen und habe es geliebt. Daher nein, die Entbehrung von Wasser, Strom und Badezimmern ist nicht neu für mich. Dann die Hitze. Ich lebe den Großteil des Jahres in Malaga, ich bin hohe Temperaturen gewohnt. Dann die vielen Menschen, die auf dem Festival-Gelände halbnackt rumlaufen. Wie gesagt, ich lebe in Málaga und im Sommer rennt da sowieso jeder halbnackt rum. Zusätzlich habe ich auch schon Nacktbadestrände besucht und habe auch damit kein Problem. Dann die vielen Menschen, die verkleidet rumlaufen. Ich bin Kölnerin und bin mit Karneval groß geworden. Auch hier, alles kein Problem. Alles verdichtet auf einem Platz, das hatte ich vorher noch nicht erlebt, doch auch das war keine Herausforderung für mich. Es gibt nur einen Grund, warum ich nicht nochmal zum „Nowhere Festival“ fahren würde, nämlich die nächtlichen Partys.

Es ist einfach zu laut nachts, um schlafen zu können.

Blick auf das Nowhere Festival

Blick auf das Festival Gelände!

Bei „off the grid“ könnte man annehmen, dass Strom auch nur sparsam verwendet wird. Nicht bei Nowhere, nicht bei den Party-Camps. Ich bin immer noch erstaunt, was für ein Equipment die Festivalteilnehmer mit in die Wüste genommen habe. Bei der Power der Musikanlagen und Boxen muss das alles ein Vermögen gekostet haben. So viele Leute das auch wertschätzen, für mich war es eine einzige Qual. Der einzige „Curfew“, also die Ruhezeit, sollte zwischen 7 und 11 Uhr morgens sein, doch auch der wurde nicht eingehalten. Sprich, ich habe von 7 Tagen keine Nacht tief geschlafen. Der Van mag zwar ein paar Soundwellen abhalten, doch die Vibrationen der Bässe spürte ich auch nachts, da sich der Wagen den Bewegungen anpasste. Gewappnet mit Ohrenstöpseln und einem Stellplatz auf dem vermeintlich leiseren Teil des Geländes, wollte ich nächtens schlafen. Fehlanzeige! Es soll Menschen geben, die trotz der Lautstärke schlafen können. Ich kann es nicht. Ich würde mich selber nicht als „Hyper-Sensibel“ bezeichnen, wenn es allerdings zum Thema Schlaf kommt, brauche ich eine ruhige Umgebung. Es gibt sogar einen Camping-Teil der „lautlos“ Zone genannt wird. Das gilt aber eher für die Menschen, die dort auch zelten. Es ist grundsätzlich so, dass durch den Wind der Sound meilenweit über das Gelände getragen wird und daher kaum Dezibel an Lautstärke zu verliert. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder man macht die Party einfach mit oder man kann trotz der Lautstärke schlafen.
Für mich ist es so, dass ich gerne tagsüber wach bin und das Licht des Tages genieße. Die Zeiten, in denen ich mir die Nächte um die Ohren gehauen habe, sind jedenfalls vorbei. Ein Festival bei dem ich nachts nicht schlafen kann, ist daher nichts für mich. Schade, denn insgesamt finde ich das Festival sehr gelungen, und auch die Nachhaltigkeit wird sehr schön umgesetzt. Ich bin zwar nicht bis zum Abbauende dagewesen, es soll aber kaum noch etwas vom Festival zu sehen gewesen sein, als die Letzten das Feld verlassen haben.

Ich sehnte mich nur noch Stille und Schlafen.

So bin ich quasi übergangslos aufs Land gegangen und habe eine Bekannte auf ihrer Bio-Farm besucht. Totale Ruhe in der Nacht, was für eine Erleichterung. Dazu mehr im nächsten Blog-Eintrag.

Kommentare sind geschlossen.